Wir befinden uns in einer Umbruchphase, die bei Bürgerinnen und Bürgern Unsicherheit auf den verschiedensten Ebenen auslöst. Globalisierung, Digitalisierung und Klimawandel verändern wie wir arbeiten und leben. Umso mehr gibt es zu Recht die Erwartung an die Politik, in diesen bewegten Zeiten Sicherheit zu bieten. Sicherheit, sowohl soziale als auch innere, ist ein Fundament unserer Gesellschaft. Denn erst wer ein sicheres Fundament verspürt, kann auch tatsächlich selbstbestimmt leben und frei und individuell Entscheidungen treffen.
Was wir als Folge eines globalen, aggressiven Kapitalismus sehen, ist eine krasse Ungleichheit und hohe Vermögens- und Machtkonzentration in Händen weniger. Das ist der gesellschaftliche Sprengstoff unserer Zeit. Denn bei vielen Menschen kommt an: Du kannst dich noch so sehr bemühen, fleißig sein, hart arbeiten und dich an alle Regeln halten – am Ende wird dein Betrieb dicht gemacht, deine Wohnung gekündigt oder deine Buslinie in die Stadt eingestellt – weil die Rendite nicht mehr stimmt oder woanders noch mehr Geld zu verdienen ist. Zu lange ist diesen Transformationsprozessen tatenlos zugeschaut worden oder wurden sie sogar noch gefördert, wo eigentlich tiefgreifendes staatlich-politisches Handeln geboten gewesen wäre. Wo das nicht passiert ist, hat es in weiten Teilen der Bevölkerung zu Unsicherheit, Vertrauensverlust und Orientierungslosigkeit geführt.
Was wir statt einer solchen Marktlogik brauchen, ist ein starker und solidarischer Staat, der allen eine faire Chance gibt, der Regeln setzt, Ordnung schafft und Sicherheit gibt. Leistungsmissbrauch ist auch im Sozialstaat zu ahnden, mein Maßstab sind aber nicht die wenigen Betrüger. Ich will Politik für die vielen ehrlichen und fleißigen Menschen in diesem Land – eben die solidarische Mitte – machen. Diese Ehrlichen und Fleißigen sind bereit, Solidarität zu geben, wenn sie es können und Solidarität zu empfangen, wenn sie es benötigen. Sie erwarten in erster Linie, dass ein Grundsatz gilt: Regeln gelten für alle. Sie gelten für die Ärmsten der Armen genauso wie für die Reichsten der Reichen. Und dafür brauchen wir einen starken, solidarischen Staat. Das ist die Grundlage für die Freiheit, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten. Das ist das Ziel, für das ich mich politisch engagiere und das muss das Ziel der SPD sein.
Manch einer wird sich jetzt vielleicht fragen, was ist denn mit der klassischen „Inneren Sicherheit“, was ist mit Kriminalitäts- und Extremismusbekämpfung, mit Polizei und Justiz? Und natürlich sind das wichtige Felder, in denen der Staat Sicherheit bieten muss. Ich werde mich auch auf meinem Blog auch noch mit einzelnen Fragen der inneren Sicherheit genauer auseinandersetzen. Öffentliche Sicherheit zu gewährleisten, ist eine zentrale Aufgabe des Staates. Aber ich fasse den Begriff „Sicherheit“ deutlich weiter. Weil öffentliche und soziale Sicherheit untrennbar miteinander verbunden sind, gehört die Absicherung im Alter, in Notlagen oder im Krankheitsfall durch ein starkes Sozialsystem (eben der „starke solidarische Staat“) unabdingbar zur Sicherheit dazu.
Um Kriminalität wirkungsvoll zu bekämpfen und bestenfalls bereits vorher zu verhindern, müssen wir als Gesellschaft bereits vor ihrem Entstehen ansetzen und fragen: „Was brauchen Menschen, um in Frieden und Freiheit zu leben und wie kann der Staat das für seine Bürgerinnen und Bürger ermöglichen?“ Um ein Beispiel zu geben: Eine ausgewogene und gute Stadtentwicklung ist Voraussetzung für die Vermeidung sozialer Brennpunkte. Sozialdemokratische Sicherheitspolitik wird fühlbar, wenn der Staat seinen Bürgerinnen und Bürgern bezahlbaren und guten Wohnraum zur Verfügung stellt und Menschen nicht aus ihrem vertrauten Kiez verdrängt werden. Gibt es gute Schulen und Betreuungsangebote in der Freizeit oder wird auch noch das letzte Jugendzentrum geschlossen? Ich habe es an anderer Stelle schon geschrieben (wer mehr dazu lesen möchte, dem empfehle ich meinen Artikel für die Friedrich Ebert-Stiftung): Ein weiteres ganz konkretes Zeichen, was für mich Sicherheitspolitik ist: Die Bereitstellung sauberer und beleuchteter Bushaltestellen, an denen Bürgerinnen und Bürger auf den Bus warten können und dieser fährt auch noch nach 19 Uhr – auch das führt zu mehr Sicherheit und einem besseren Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung.
In der öffentlichen Debatte gilt Sicherheitspolitik nicht als Steckenpferd der Sozialdemokratie. Dabei gewinnt Sicherheit als Wert in der Gesellschaft an Bedeutung und hat im politischen Meinungskampf einen hohen Stellenwert. Diskussionen über Fragen der inneren Sicherheit werden oft emotional geführt. Sicherheitspolitik darf deshalb keine offene Flanke der Sozialdemokratie sein. Harte repressive Maßnahmen kommen in der Öffentlichkeit immer besser an, besser und wichtiger sind aber präventive Maßnahmen. Wie anfangs erwähnt: Je größer die Ungleichheit zwischen den Menschen desto größer ist das Konfliktpotenzial einer Gesellschaft. Verbessern wir die soziale Lage, gehen auch Konflikte und Kriminalität zurück.
Im Übrigen habe ich kein Problem mit „Law and Order“. Aber es muss auch für alle gelten. Was ist mit dem Banker, der durch Cum-Ex-Geschäfte den Staat und damit die Gemeinschaft um mehrere Milliarden Euro betrogen hat? Was ist mit dem Arbeitgeber, der seine Mitarbeiter um ihren Lohn prellt und die Gemeinschaft bestiehlt, indem er seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sozialversichert? Unser Bild von Kriminalität ist stark von anderen Kriminalitätsfeldern geprägt. In dem Sinne ist es die Aufgabe von Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, den Begriff „Law and Order“ neu zu besetzen und solche Formen der Kriminalität in den Fokus zu rücken. Auf Neoliberale und Konservative können wir hier nicht warten.
Wir sollten aber auch nicht alles schlecht reden. Es wird niemals hundertprozentige Sicherheit geben. Es gilt Missstände anzusprechen, ohne sie zu dramatisieren oder zu instrumentalisieren. Dass die Kriminalität seit Jahren zurückgeht, ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis der guten Arbeit deutscher Sicherheitsbehörden und der politischen Voraussetzungen, die von Bund und Ländern geschaffen worden sind. In der öffentlichen Debatte dominieren zwar immer die lautesten Forderungen und wir befinden uns insofern in einem Zeitalter des Absolutismus und »Sofortismus« – erst hundertprozentige Sicherheit ist ein Erfolg und diese muss sofort gewährleistet sein. Doch wer ehrlich ist, muss einräumen: Der Trend zeigt in die richtige Richtung.
Für mich ist die Schaffung gesellschaftlicher Solidarität zentral für erfolgreiche Sicherheitspolitik. Sie schafft reale und gefühlte Sicherheit. Die deutsche Sozialdemokratie wird wieder stark, wenn wir folgende drei Zukunftsversprechen geben: Wer sich bemüht, wird es schaffen. Wer stolpert, den fangen wir auf. Und wer trotz allem gegen die Regeln der Gemeinschaft verstößt und die Solidarität der Vielen ausnutzt, wird dafür sanktioniert – unabhängig von Herkunft, Geldbeutel oder sonstigem.
Das sind sozialdemokratische Versprechen, die nach wie vor aktuell sind. Wir müssen jedoch neue und bessere Antworten geben, damit sie auch in einer veränderten Welt wieder gelten. Begreifen wir den Staat wieder als Akteur, der den Alltag aller Bürgerinnen und Bürger besser macht. Ein handlungsfähiger Staat, der alle Menschen wirklich gleich behandelt und ihnen den gleichen Zugang zu öffentlichen Leistungen bietet, ist die beste Grundlage dafür. Der kaputtgesparte und den Märkten ausgelieferte neoliberale Staat hingegen ist schwach, der ausgrenzende national‐völkische Staat der politischen Rechten ist unsolidarisch und ungerecht. Ich halte den sozialdemokratischen Ansatz in Verbindung mit einem positiven Menschenbild für den erfolgversprechendsten Weg, Sicherheits‐ und Freiheitsbedürfnisse in der Gesellschaft zu vereinen und neben objektiv messbaren Sicherheitsdaten auch dem zunehmenden Unsicherheitsgefühl in der Bevölkerung entgegenzuwirken.