Kampf gegen Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft

Sebastian Hartmann Spree

Rechtsextremismus ist die größte Gefahr für die innere Sicherheit in Deutschland. Meldungen über Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, auf religiöse, kulturelle und politische Einrichtungen sowie Drohungen und Anfeindungen gegenüber kommunalpolitisch engagierten Mitbürgerinnen und Mitbürgern sind kaum noch aus der medialen Berichterstattung wegzudenken und gehören zu unserem traurigen Alltag. Dies ist in einem demokratischen Rechtsstaat nicht hinzunehmen, sondern muss in eine aktive Gegenwehr des Staates und der demokratischen Gesellschaft münden.

In den vergangenen Wochen wurde auch die Frage nach einem strukturellen Rassismus in deutschen Sicherheitsbehörden gestellt. Ich habe großes Vertrauen in unsere Polizei- und Sicherheitsbehörden und bin gegen jede pauschale Verurteilung. Selbstverständlich muss jede Form von Extremismus oder Rassismus, wie in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens, auch bei Polizei und Sicherheitsbehörden, entschieden bekämpft werden. In diesem Artikel möchte ich mich im Schwerpunkt der Frage widmen, was wir als Gesellschaft tun können, um Rechtsextremismus gemeinsam und solidarisch die Stirn zu bieten.

Rechtsextremismus ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen

Ebenso wie der Rechtsextremismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist, muss auch der Kampf gegen Rechtsextremismus aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Dabei ist wichtig zu verstehen, dass Rechtsextremismus keine Randerscheinung ist. Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit gehen Hand in Hand. Die Attentäter von Hanau und Halle als Einzeltäter zu bezeichnen, ist falsch und gefährlich. Die Attentäter und ihre Sympathisanten arbeiten zusammen. Wo immer ein Flüchtlingsheim angegriffen wird und wo Menschen mit Migrationshintergrund angefeindet werden, wird es durch die „Mitbürger“ legitimiert, die in unseren Innenstädten mit fremdenfeindlichen Parolen demonstrieren. Der Historiker Wolfgang Benz kommt zu dem Schluss, dass Pegida als Protestbewegung aus der scheinbaren Mitte der Gesellschaft eine „Brückenfunktion zum Rechtsradikalismus“ zukommt. So sind die „Abneigung gegen Fremde, gegen die Eliten in Politik, Gesellschaft, Medien, und die Demagogie, mit der Minderheiten stigmatisiert, denunziert und ausgegrenzt werden, (…) eine Einladung an Extremismus und zur Gewalt.“[1] Nach Angaben des Bundesamts für Verfassungsschutz gab es Ende 2018 mehr als 24.000 Rechtsradikale, davon mehr als 12.000 gewaltbereite Rechtsradikale. [2] Wie viele Sympathisanten es jedoch gibt, lässt sich nicht sagen.

Kampf gegen Rassismus gesamtgesellschaftliche Aufgabe

Der Kampf gegen Rassismus kann daher nur eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Medien, die Politik, die Zivilgesellschaft müssen sich gemeinsam den gefährlichen Thesen Rechtsextremer entgegenstellen, Argumentationsmuster entkräften und Themen neu besetzen. Wir dürfen rechten Stimmungsmachern nicht die Bühne überlassen! Das gilt auch für Talkshows im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der rechten Hetzern keinen Sitzplatz und keine Redezeit anbieten darf.

Dabei kommt dem Staat die wichtige Aufgabe zu, zivilgesellschaftliches Engagement zu fördern und vor allem zu schützen. Dieses Engagement findet auf kommunaler Ebene statt, in den Bildungseinrichtungen, Jugendzentren und Gemeindehäusern. Dort, wo der Staat sich zurückzieht, wo Schwimmbäder, Bibliotheken schließen, wo sich Menschen abgehangen und vergessen fühlen, bildet sich Nährboden für Hass und Gewalt.

Die Gemeinde, der Kiez, das Dorf sind der Ort, an dem direkte und identitätsstiftende Integrationserfahrungen ablaufen. Die Möglichkeit, das eigene Umfeld mitgestalten zu können, beispielsweise in Nachbarschaftsinitiativen, Jugendclubs und Seniorentreffs ist eine aktive und positive Demokratieerfahrung. Kommunale Präventionsgremien, runde Tische, lokale Bündnisse für Toleranz und Demokratie sind Beispiele für Strategien auf dieser Ebene, die zu einer offenen und toleranten politischen Kultur beitragen können. Neben der Förderung von strukturellen Einrichtungen, ist dabei auch die Förderung von Modellprojekten, wie Demokratiewerkstätten wichtig. Ich fordere daher einen New Deal für soziale Innovationen und öffentliche Investitionen, u.a. in Bürgerhäuser. Demokratie und demokratische Gesellschaften entstehen lokal. Es geht darum, zivile Werte mit Zivilcourage zu verteidigen. Ich halte es für falsch, Rechtsextreme „aktiv“ zu ignorieren. Beschweigen ist keine Option. Ich fordere daher alle Demokratinnen und Demokraten auf, den Kampf gegen Hass und Hetze nicht nur rhetorisch, sondern mit aktivem Gegensteuern aufzunehmen.

Staat muss Hass und Hetze den Riegel vorschieben

Dass die engagierte Zivilgesellschaft, Journalistinnen und Journalisten ebenso wie Politikerinnen und Politiker dabei an ihre Grenzen stoßen, sehen wir im unter anderem im Netz. Rechte Kräfte nutzen soziale Medien mittlerweile sehr professionell, um sich zu vernetzen, ihre Positionen zu platzieren, aber auch um kritische Stimmen einzuschüchtern. Immer häufiger kommt es zu Diffamierung und Bedrohung im Netz. Wir müssen uns dafür einsetzen,   dass der politische Diskurs in einer pluralistischen Gesellschaft weiterhin möglich ist.

Um diesen Diskurs zu gewährleisten, hat das Bundesjustizministerium daher im April 2020 einen Gesetzesentwurf zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet vorgelegt. Danach ist künftig auch die Androhung einer gefährlichen Körperverletzung oder die Billigung einer noch nicht begangenen Straftat strafbar, ebenso wie Bedrohungen mit Bezug auf die sexuelle Selbstbestimmung und körperliche Unversehrtheit. Soziale Medien müssen endlich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Daher müssen sie nach den Plänen der Bundesregierung strafbare Inhalte melden, damit diese strafrechtlich verfolgt werden können. Die genaue Ausgestaltung des Vorhabens werden wir in den kommenden Wochen im Bundestag beraten.

Im Kampf gegen Rechtsextremismus, Hass und Gewalt müssen wir als Demokratinnen und Demokraten zusammenstehen, Gesicht und Solidarität zeigen. Aufgabe des Staates als Garant der öffentlichen Sicherheit ist, neben der Bereitstellung finanzieller Förderung von zivilgesellschaftlichen Initiativen, auch der Schutz derer, die sich für eine offene und tolerante Gesellschaft einsetzen – online genauso wie offline.

[1] https://www.tagesspiegel.de/wissen/fremdenhass-in-deutschland-rechtsextremismus-beginnt-in-der-mitte-der-gesellschaft/12329450.html

[2] https://www.verfassungsschutz.de/de/arbeitsfelder/af-rechtsextremismus/zahlen-und-fakten-rechtsextremismus/rechtsextremistisches-personenpotenzial-2018

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