Falls die Kluft zwischen Arm und Reich bisher noch nicht allen bewusst war, so wird sie es jetzt umso mehr. Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens treffen alle Menschen in Deutschland, aber sie treffen nicht alle Menschen mit der gleichen Härte. Menschen in beengten Wohnungen, in prekärer Beschäftigung und Menschen, die auf Hilfe angewiesen sind, spüren die Folgen der Corona-Pandemie in besonderem Maß. Wer unten steht, leidet mehr als die anderen. Vor dem Virus sind nicht alle gleich!
Bildungsgerechtigkeit
Es gibt Kinder, die auch bei Kontakt- oder Ausgangssperren in Gärten spielen können – und Kinder, die sich mit vier oder fünf Personen eine Wohnung teilen.
Es gibt Familien, die gar nicht die technische Ausstattung für digitales Lernen haben oder keinen Internetanschluss. Und es gibt Familien, bei denen die Eltern zum Beispiel aufgrund von Sprachbarrieren ihre Kinder bei den Schulaufgaben nicht unterstützen können. Kinder in den Schulen haben alle dieselben Lehrer, die sie unterrichten oder mit ihnen Hausaufgaben machen. Damit kann zumindest ein Teil der Benachteiligungen ausgeglichen werden. Das fehlt jetzt. Für E-Learning braucht man Tablet oder Computer. Kurz: Die Schulschließungen treffen die Kinder am stärksten, die ohnehin schon die schlechtesten Ausgangsvoraussetzungen haben.
Arbeitsmarkt
Viele Niedrig-, aber auch Durchschnittsverdiener drohen als Aufstocker in „Hartz IV“ abzurutschen. Plötzlich 40 Prozent weniger auf dem Konto haben und das jeden Monat – das bedeutet für viele Beschäftigte, dass sie Mieten und andere Kosten nur noch schwer stemmen können. Aber selbst bei den Kurzarbeitern gibt es Unterschiede. Es gibt Branchen, da wird das Kurzarbeitergeld auf 90% und mehr aufgestockt. Die Sozialdemokraten haben gegen eine völlig blockierende Union eine stufenweise Erhöhung des Kurzarbeitergeldes durchgesetzt, auf bis zu 87 Prozent des Gehalts. Wir hätten uns mehr vorstellen können, aber es ist trotzdem ein wichtiger Schritt.
Noch schlimmer ist die Situation für Solo-Selbstständige, die von einem Tag auf den anderen kein Einkommen mehr haben. Künstler, Friseure, aber auch Messebauerinnen.
Der derzeitige Ausnahmezustand legt die sozialen Ungleichheiten erbarmungslos offen. Die Schwachen werden schwächer.
Was können wir gegen diese Ungleichheit tun?
Ob ein Schüler oder eine Schülerin einen Laptop oder ein Tablet besitzt, darf in Zukunft nicht mehr vom Geldbeutel der Eltern abhängen. Digitale Endgeräte und Internetzugang müssen Teil der Grundversorgung sein und alle Schüler*innen damit über die Schule ausgestattet werden. Im internationalen Vergleich zeigt sich, dass andere europäische Länder wie Frankreich frühzeitig reagiert und entsprechende digitale Lernangebote geschaffen haben, die niedrigschwellig und weitreichend genutzt werden können. In Frankreich hat man für den Schulunterricht die virtuellen Klassenzimmer, die von der staatlichen Webschule CNED (Centre national de l’Enseigenement à distance) betrieben werden. „Ma classe à la maison“ heißt übersetzt „Meine Klasse zu Hause“ und enthält das Unterrichtsprogramm von der Vorschule bis zum Abitur. Aber nicht nur das komplette Unterrichtsprogramm können die Schüler von zu Hause abrufen. Das nationale Fernschulzentrum CNED betreibt auch virtuelle Klassenzimmer, in die sich die Schüler nach Absprache mit ihren Klassenlehrern zuschalten können. Eine Lösung, die wir schnellstens auch in Deutschland einrichten müssen. Und zwar unabhängig von Krisen.
Ein Kurzarbeitergeld von 60 Prozent ist für viele Beschäftigte zu gering. Vor allem Niedrigverdienerinnen und Niedrigverdiener werden kaum über die Runden kommen. Viele Branchen und Unternehmen zeigen Verantwortung, indem sie Tarifverträge zur Aufstockung bei Kurzarbeit abgeschlossen haben. In der Automobilindustrie bekommen die Arbeitnehmer*innen schon jetzt bis zu 90 Prozent des Lohns, weil die IG Metall aufstockt. Und das, bei ohnehin schon hohen Löhnen. Weil das aber nicht überall so ist, haben wir eine stufenweise Aufstockung des Kurzarbeitergeldes vereinbart. In den ersten drei Monaten gelten die bisherigen Kurzarbeitergeld-Sätze. Ab dem 4. Monat würden 70 oder 77 Prozent, ab dem 7. Monat dann 80 oder 87 Prozent des Lohnausfalls gezahlt. Auch wenn das keine perfekte Lösung ist, ist es ein riesen Erfolg, den Sozialdemokraten und Gewerkschaften gemeinsam errungen haben.
Die Bekämpfung der Auswirkungen des Corona-Virus erfordert auch in den kommenden Wochen und Monaten entschiedenes Handeln, um die Gesundheit zu schützen, Existenzen zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten.
Wir müssen es schaffen, dass alle die Krise als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung ansehen.
Bei all den vielen Rettungsschirmen muss die Gesellschaft in den Mittelpunkt gestellt werden. Nicht das Virus oder die Unternehmer.
Zum Autor | Sebastian Hartmann ist Landesvorsitzender der SPD in Nordrhein-Westfalen und gehört seit 2013 dem Deutschen Bundestag an. Dort ist er Mitglied im Innenausschuss.
Kontakt: kontakt@nullsebastian-hartmann.de
das Kurzarbeitergeld muss für alle die jenigen angehoben werden , die gering verdienen, damit meine ich auch die Hotel und Gaststättenkräfte die mal gerade 1000,00 Euro netto verdienen.
Mit solidarischen Grüssen
Maria Therese Schneider
Beisitzer in UB Bonn
Liebe Maria,
ich habe mich gemeinsam mit dem sozialdemokratischen Teil der Bundesregierung sehr dafür stark gemacht das Kurzarbeitergeld von 60 bzw. 67 Prozent auf 80 bzw. 87 Prozent anzuheben. Mit der Union haben wir in soweit in der vergangenen Woche eine Einigung erzielt, dass das Kurzarbeitergeld wie folgt erhöht werden soll: ab dem 4. Monat des Bezugs auf 70 Prozent (bzw. 77 Prozent für Haushalte mit Kindern) und ab dem 7. Monat des Bezuges auf 80 Prozent (bzw. 87 Prozent für Haushalte mit Kindern) des pauschalierten Netto-Entgelts. Zudem haben wir die mögliche Bezugsdauer auf bis zu 21 Monate heraufgesetzt. Auch wenn das nicht die perfekte Lösung ist, ist das ein Kompromiss mit der Union, der sehr vielen Menschen helfen wird.
Angesichts der enormen Gehaltseinbußen, die gerade Beschäftigte mit geringem Lohn hart treffen, haben wir aber auch zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen beschlossen. So müssen sich zum Beispiel Beschäftigte in Kurzarbeit, die jetzt einen Nebenverdienst durch Tätigkeiten in systemrelevanten Bereichen erzielen, sich diesen Hinzuverdienst nicht auf das Kurzarbeitergeld anrechnen lassen. Weitere Maßnahmen entlasten auch in anderen Bereiche, etwa den Kinderzuschlag oder die mögliche Stundung von Mieten.
Solidarische Grüße zurück
Sebastian
Ganz klar: Ohnehin benachteiligte oder gefährdete Kinder und Jugendliche werden angesichts der Corona-Krise noch weiter ins Abseits geraten. Daher sind Fragen der Digitalisierung – und die Frage der Chancengerechtigkeit aktueller denn je. Es ist so traurig, dass sich Lehrkräfte im wahrsten Sinne des Wortes „auf den Weg machen“ müssen, um möglichst viele Schülerinnen und Schüler zu erreichen…
Das sehen wir genauso. Es gilt, so gut wie möglich die Auswirkungen der Krise auf diese Kinder und Jugendliche abzufangen. Die Digitalisierung bietet hier Chancen, ist aber auch eine große Verpflichtung. Die Politik muss hier die nötigen Mittel bereitstellen. Wo Familien sich keine Geräte leisten können, müssen ihnen diese genauso wie ein Internetanschluss als Grundbedarf zur Verfügung gestellt werden.
Die Überschrift „Die Spaltung der Gesellschaft in Zeiten von Corona“ suggeriert zunächst, dass das Virus die Ursache hierfür ist. Im nachfolgenden Satz wird das zwar relativiert, aber die Überschrift stellt einen falschen Zusammenhang her.
Du beschreibst sicherlich zutreffend die Situation vieler Menschen in diesem Land, vermeidest aber tunlichst auf die Ursachen der Probleme vieler Menschen einzugehen. Ich will hier die sehr guten Leistungen der SPD Minister keinesfalls kleinreden, aber zur Wahrheit gehört auch zu fragen, wem wir viele der von Dir zu recht kritisierten Zustände zu verdanken haben.
Als das Führungsduo der SPD kürzlich völlig zu Recht eine Heranziehung der Reichen bei der finanziellen Bewältigung der Folgen dieser Krise forderte, standen sie dem üblichen Sturm der Entrüstung aus dem rechten Lager in Politik, Wirtschaft und den Medien weitgehend alleine gegenüber. Kannst Du mir jemanden aus der Führungsetage der SPD nennen, der sich lautstark solidarisiert hat?
Es wird dringend Zeit für ein schlüssiges, offensiv(!!!) vertretenes Zukunftskonzept wirtschaftlich, sozial und ökologisch.
Nehmt euch doch ein Vorbild an Willy Brandt. Was für einem Trommelfeuer aus Politik, Wirtschaft und Medien war der ausgesetzt. Der Untergang der Republik wurde an die Wand gemalt. Er hat Kurs gehalten, die Menschen überzeugt und Erfolg gehabt.
Es gilt Neoliberale wie Schäuble, die unverfroren aus politischem Kalkül genau das Gegenteil ihres bisherigen Handelns als neue Maxime verkünden jetzt(!!!!!) auf ihre Aussagen festzunageln. Denn eines ist auch klar. Wenn die Krise auch nur erkennbar an Dramatik verliert, werden alle löblichen Vorschläge dieser Hardliner relativiert und in der Schublade verschwinden. Die Finanzkrise lässt grüßen!
https://www.tagesschau.de/inland/schaeuble-corona-101.html
Dass wir aus der Krise nachhaltig lernen, gerade auch, was die sozialen Belange angeht, wird sehr wichtig sein. Der Artikel geht darauf ein, wie Corona die sozialen Unterschiede verstärkt. Mehr zur Zukunft der solidarischen Mitte ist im hier zu lesen.